Tief berührt - SPD–Ortsverein besucht Grafeneck

Veröffentlicht am 26.10.2022 in Ortsverein

Vor kurzem war der SPD-Ortsverein in der Gedenkstätte Grafeneck bei Münsingen auf der Alb. Dort wurden in der ersten Tötungsstätte der Nazis von Januar bis Dezember 1940 10 654 Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankung getötet. Der Ort war wegen seiner abgeschiedenen Lage auf einem Bergsporn und der guten Möglichkeiten der Abschirmung des Geländes ausgewählt worden. Im Rahmen des Euthanasieprogramms der Nazis sollte „lebensunwertes Leben“ vernichtet werden, das den Staat „viel Geld“ koste. Zudem wurde von „Gnadentod“ und „Erlösung“ gesprochen „Für Zwecke des Reichs“ war das Schloss mit dem dazugehörigen Gelände, wo das Samariterstift ein Behindertenheim betrieben hatte, beschlagnahmt worden.

 

Mit grauen Bussen mit weiß gestrichenen Fenstern wurden die Patienten in insgesamt 48 Einrichtungen abgeholt. Darunter war auch das Christophsbad in Göppingen. Am gleichen Tag wurden die Menschen in einem als Duschraum getarnten Vergasungsraum mit Kohlenmonoxyd getötet. Der Gashahn wurde von Ärzten betätigt. Für die Verbrennung der Leichen war ein Krematorium eingerichtet. Im ehemaligen Schloss Grafeneck war das Personal der Tötungsanstalt untergebracht. In einem Standesamt wurden die Sterbeurkunden gefälscht, die den Angehörigen zugesandt wurden. Da war dann die Rede von Lungenentzündung und Herzinfarkt und anderen vorgetäuschten Todesursachen. Wenn die Angehörigen einen Friedhofsplatz nachweisen konnten, bekamen sie die Urne zugesandt. In einer Zeit als die Einäscherung noch nicht üblich war, wurde diese mit seuchenpolizeilichen Maßnahmen begründet. Nach einem Jahr wurden die Tötungen in Grafeneck eingestellt. Es gab Proteste von den Kirchen und den Einrichtungen, auch ließ sich nicht länger geheim halten, was in Grafeneck geschah. Zudem war in diesem Jahr das „Soll“ übererfüllt worden. Die Tötungen gingen in anderen Tötungsanstalten noch mehr als ein halbes Jahr weiter. Ein Teil des Personals von Grafeneck fand daher in anderen Vernichtungsanstalten Verwendung, auch bot sich bald für die „Tötungsexperten“ eine Anstellung in den KZs an.

 

Die Leiterin des Dokumentationszentrums berichtete in eindringlicher Weise von dem Geschehen in Grafeneck. Besonders tief berührte der vorgetragene konkrete Fall eines getöteten Kindes. Ungläubiges Kopfschütteln erregte der Fall eines in Grafeneck tätigen Arztes, der wegen seines  „hohen Blutdrucks“ angeblich nicht verhandlungsfähig war und so nicht zur Verantwortung gezogen wurde. Zum Schluss überraschte sie mit einer Liste von drei Personen, die in Wäschenbeuren geboren und in Grafeneck getötet worden waren. Das war bisher nicht bekannt gewesen.

 
 

Heike Baehrens MdB